Zyklus: Cinema Italiano Regie: Giuliano Montaldo; mit Pierfrancesco Favino, Carolina Crescentini, Eduard Gabia, Elena Di Cioccio; ITA 2012, OV/d, 35mm, 1h34
Der vierzigjährige Nicola ist Fabrikbesitzer in Turin. Die Wirtschaftskrise, die Italien in eisernem Griff hat, erfasst auch sein Unternehmen. Von Schulden und den Forderungen der Banken in die Enge getrieben, steht Nicola kurz vor der Pleite. Nur eine grössere Bürgschaft seiner Frau Laura und deren Mutter könnte ihn noch retten. Doch muss er feststellen, dass Laura sich von ihm zu entfremden scheint und eigene Wege geht. Um sich aus der aussichtslosen Lage zu befreien, greift Nicola zu immer skrupelloseren Methoden, während die von Entlassung bedrohten Arbeiter lautstark protestieren.
Giuliano Montaldo, einer der Altmeister des politisch engagierten Films (Sacco und Vanzetti), zeigt auf beeindruckende Weise, wie die ökonomische Krise alle Bereiche des menschlichen Lebens verändert. Ein scharfsichtiger Film über die heutige Zeit.
In L’Industriale wollte ich den schwierigen Moment, den wir heute durchleben, aus der Perspektive eines hartnäckigen Mannes darstellen, der die Fabrik seines Vaters übernommen hat. Die Wirtschaftskrise, deren Opfer und ohnmächtige Beobachter wir sind und von der wir jeden Tag in gross aufgemachten Zeitungsschlagzeilen lesen, bildet den Hintergrund. Ich weiss nicht, wer eigentlich diesen gigantischen Scheiterhaufen entzündet hat, auf dem das Geld der arbeitenden Menschen verbrannt wird. Aber etwas hat mich besonders erschüttert: All diese vergeudeten Leben von Menschen, die in den Boomjahren mit vielen Opfern eine kleine Firma aufbauten. Als sie dann sahen, wie ihre Firmen pleitegingen, nahmen sie sich das Leben, weil sie diese Schmach nicht ertrugen. Ich wünsche mir, dass der Film zum Nachdenken anregt, dass nach der Vorführung darüber diskutiert wird. Gelingt dies, dann hat der Film einen Sinn. Giuliano Montaldo
Giuliano Montaldo ist ein echter Kämpfer des Kinos. In L’Industriale sehen wir den wie immer herausragenden Pierfrancesco Favino in der Rolle eines Unternehmers, dessen Familienbetrieb mit der aktuellen Situation nicht mehr Schritt halten kann. So verwandelt sich der Protagonist, eigentlich ein nüchterner Geschäftsmann mittleren Alters, in einen obsessiv Getriebenen. Bemerkenswert sind die Sorgfalt und die Eleganz des Films, zu der die Kameraarbeit von Arnaldo Catinari einen entscheidenden Beitrag leistet. Paolo D‘Agostini, La Repubblica
Zu den zahlreichen Qualitäten von L’Industriale gehört der wache Blick auf die aktuelle Krise, auf die bankrotten Fabriken und die Arbeitslosigkeit. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die Figur auf der anderen Seite der Barrikade, auf den Fabrikbesitzer, und legt die Verantwortung der Führungsetagen bloss, die zumindest die Schuld daran tragen, nicht bemerkt zu haben, dass sie auf einen Abgrund zusteuerten. Das ist der politische Anspruch des von Montaldo und Purgatori geschriebenen Drehbuchs. Gleichzeitig werden dank der von Kameramann Arnaldo Catinari entfärbten Stadt Turin weitere faszinierende Dimensionen sichtbar; die Geschichte ist auch ein Familiendrama. Alessandra Levantesi, La Stampa